
Lahn-Camino (Etappe 8): Bad Ems - Oberlahnstein
Montag, 25. April 2022 / 19 KM
Als ich am Morgen den Frühstücksraum betrete, werde ich von der Wirtin mit den Worten: "Na, überstanden?" empfangen. Ich bin echt nicht pingelig, aber der Satz hatte doch etwas Wahrheit in sich.
Aber egal wie durchgelegen das Bett oder wie nervraubend das Lauschen der späten Flurgespräche, die man leider in dem Zimmer nicht überhören konnte und bei denen mit Hausverbot und Polizei gedroht wurde auch waren, geschlafen habe ich trotz allem gut und jetzt freue ich mich auf das Frühstück und den Start in den neuen Tag.

Es gibt ein perfekt zubereitetes weichgekochtes Ei und frisch aufgebackene Brötchen, von denen ich mir eins für den Weg mitnehme. Nach dem Servieren des Eies, ist von der Wirtin, die offensichtlich die Arbeit alleine stemmt, jedoch nichts mehr zu sehen. Der Gast, der mit mir im Frühstücksraum sitzt, ist etwas ratlos, da er es mit dem Aufbruch offensichtlich sehr eilig hat. Es dauert eine ganze Weile und einen Anruf auf der Kontaktnummer, bis sie wieder auftaucht und somit auch meinem Aufbruch aus dieser merkwürdigen Unterkunft nichts mehr im Wege steht.
Nachdem auch ich ausgecheckt und bezahlt habe, gehe ich nochmal Richtung Martinskirche, um im nahegelegenen Pfarramt nach einem Pilgerstempel zu fragen. Leider ist dieses aufgrund von Krankheitsfällen geschlossen.
Zu meinem Glück kommt just in diesem Moment ein Mitarbeiter an der Pforte an. Nachdem er sicher stellt, dass ich nur einen Stempel möchte, lässt er mich ins Pfarrheim ein und wir unterhalten uns ein wenig. Zum Abschied wünscht er mir einen "Buon Camino".

Es geht zunächst eine sehr lange Strecke an der Lahn entlang. Der Weg ist zwar flach, aber auf Dauer auch echt eintönig und so bin ich froh, als ich in dem Ort Millen ankomme. Den ganzen Weg lang begleitet mich herrliches Vogelgezwitscher.
In Millen hole ich mir an der Stempelstelle einen Stempel ab und entdecke direkt nebenan einen Automaten, gefüllt mit diversen Leckereien. Fast wie ein kleiner Dorfladen. Für Pilger und Wanderer wird hier gut gesorgt.

Das Schweizertal
Der Weg führt nun wieder aufwärts durch's Schweizertal. Einige umgefallene Bäume behindern den Weg. Zum Glück hat der angekündigte Regen sich nicht gezeigt, denn ich vermute, im Matsch wäre dieser Weg nur schwer begehbar gewesen.
Auf kleinen Hinweistafeln werden die Historien der verschiedenen Mühlen beschrieben, die hier mal gestanden haben. Sechs Mühlen waren es insgesamt. Es war ein beschwerliches Leben im Schweizertal, wie mancher Text vermuten lässt. Einige Mühlen, zum Beispiel die Schlappmühle, konnten nur zu Fuß mit Esel erreicht werden. Der Müller hatte nur Schlappen an, mit denen er den Weg nach Frücht bewältigte, da er sich keine Schuhe leisten konnte. So bekam er von den Früchtern den Namen Schlappmüller. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie beschwerlich für manche Menschen das Leben früher war. Das macht mich nochmal dankbarer für das, was für mich heute so selbstverständlich erscheint.

Frücht
Das wildromantische Tal zieht sich etliche Höhenmeter hinauf, bis ich am oberen Ende wieder über ein paar Treppenstufen auf einen breiten Wiesenweg mit Bank treffe, die ich für eine kleine Rast nutze. Dann geht es weiter nach Frücht, über den Friedhof bis zur Kirche, die verschlossen ist.

Also gehe ich zurück über den Friedhof, an einem kleinen Schulgebäude vorbei, das mit seinem süßen Anblick besticht, vorbei an der Gruft vom Freiherr von Stein und weiter am Häuserrand vom Ort vorbei und über einen Feldweg direkt in den angrenzenden Wald hinein. Es ist ein wunderbarer Wald. Nachdem ich anfangs die Waldetappen nicht wirklich mochte, wird jeder neue Wald, den ich betrete in meiner Wahrnehmung immer wundervoller. Ganz gemütlich schlängelt sich ein Fußpfad hinab durch ein romantisches Tal bis zum Örtchen Friedrichssegen, einem alten Bergmannsdorf.

Hier packe ich zum ersten mal den neuen Regenponcho aus, den ich mir vor der Wanderung geleistet habe, um gut verpackt und geschützt vor den ersten Regentropfen wieder im nächsten Waldstück zu verschwinden.
Nach einem kurzen Stück erblicke ich ein Holzverlade-Monstrum, das den Waldweg in Morast verwandelt hat. Ich schlängele mich daran vorbei, und versuche, nicht in die Pfützen zu fallen, während der Fahrer in seinem Führerhaus nur eine blaue Gestalt an sich vorbeiziehen sieht. Kurz darauf hört der Regen wieder auf und ich befreie mich trocken von meiner blauen Haut.

Gerade als ich den Poncho wieder verpackt habe, kommt mir ein älterer Herr entgegen, der mich freundlich grüßt und mir erklärt, dass er diese Strecke wegen seinem Wohlbefinden öfter laufen würde. Diesen Wald empfinde ich als sehr friedlich, deshalb kann ich das gut verstehen. Zarte Sonnenstrahlen brechen durch die Zweige und mein geliebtes Vogelgezwitscher begleitet mich wieder.
Mit diesem sehr friedlichen Gefühl passiere ich einen Wanderer-Parkplatz auf dem jemand eine Reifenpanne reparierte und nebenbei Holz sägte. Eine sonderbare Kombination.

Lahnstein
Ohne weiter darüber nachzudenken ziehe ich weiter und komme an den Rand von Lahnstein auf der Höhe, mit seinen terrassenförmigen Bauten.
Einige Gassigeher kommen mir entgegen, und bald verstehe ich auch, warum sie für ihren Spaziergang diesen Weg wählen.
Der Ausblick ins Lahntal ist überwältigend.
Nachdem ich Lahnstein auf der Höhe umrundet habe, sehe ich sie kommen. Eine extrem dicke Regenwolke scheint aus dem Nichts aufzutauchen. Von Minute zu Minute wird es dunkler und der Wind, der auf der freien Höhe aufkommt, macht meinen Regenschirm leider komplett unbrauchbar. Also krame ich meinen Regenponcho aus dem Gepäck und streife ihn noch gerade rechtzeitig über, bevor es aus allen Wolken losbricht. Ein paar Minuten später bin ich äußerlich zwar klitschenass, aber meine Sachen trocken und sicher.


So gelange ich im strömenden Regen nach Oberlahnstein. In der kleinen Josefskapelle am Wegesrand hole ich mir noch einen Stempel ab.
Auf einem Schild steht geschrieben, dass dieses Kapellchen früher den Bauern als Unterschlupf bei Unwettern diente. Wie passend. So tue ich es ihnen gleich, stelle mich einen Moment unter und warte, bis der Regen etwas nachlässt.


Ich passiere die Burg Lahneck, die ab 1226 vom Mainzer Erzbischof als Schutzburg für seine Ländereien an der Lahnmündung errichtet wurde und um die sich die Legende rankt, dass sich hier die letzten 12 Tempelritter im Jahr 1312 gegen die Truppen des Erzbischofs Peter von Atzelt verteidigt hätten.
Leider hat die Gastronomie geschlossen also gehe ich weiter hinab nach Oberlahnstein, vorbei an der Martinskirche, in die auch kein Hineinkommen möglich ist, bis zur Hospitalkapelle St. Jakobus am alten Marktplatz, in dem neben einem Pferdestall, einer Waschküche und diversen anderen Nutzungen früher auch ein Armenhospital untergebracht war.

Der heutige Tag endet für mich an diesem Ort und so mache ich mich auf die Suche nach meinem Hotel, das mich extrem freundlich mit einem Pilger-Radler empfängt. Die hauseigene griechische Gastronomie ist hervorragend und nach dem Regentag schlemme ich ein wenig und lasse es mir richtig gut gehen.
(-> 9. Etappe: Oberlahnstein - Koblenz und weiter zum Mosel-Camino -> 1. Etappe: Koblenz - Waldesch)
(-> Zum Start in Wetzlar)
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