
Mosel-Camino 7. Etappe: Traben-Trarbach - Monzel
Dienstag, 06. Juni 2023 / 17 KM

Das Frühstück fängt ja schonmal lustig an. Die zwei Pärchen, die auch gestern beim Abendessen schon am Nachbartisch saßen, lassen sich verächtlich und superlaut über die Betten und die kleinen Zimmer aus. Die Krönung ist der Spruch der einen Dame: "Es gibt bestimmt viele, die wären froh, wenn sie so eine Bleibe hätten, aber doch nicht für mich..."
!!! Extremer Fremdschäm-Anfall !!!
Ich finde das Hotel prima. Für kleinen Preis hat man alles, was mach braucht und auch mein Bett war vollkommen in Ordnung. Ich habe bequem und entspannt geschlafen. Ich frage mich, warum die "Herrschaften" nicht in eines der teuren Hotels gegangen sind, merke aber sofort, dass es überhaupt keinen Sinn macht, darüber nachzudenken. Also genieße ich lieber mein Frühstück mit direktem Blick auf die Mosel, packe meine Sachen und laufe los zur evangelischer Kirche, an der ich mir noch einen Stempel für meinen Ausweis sichere, überquere die Brücke nach Traben und finde am Weingut Böcking den Rittersaal, in dem seinerzeit im 12.Jhd. die Tempelritter gewohnt haben sollen.


Frisch von der erholsamen Nacht trete ich den doch recht steilen Weg zum Rastplatz "eiserne Weinkarte" an. Mir kommen auf dem Weg durch den kühlen Wald tatsächlich einige Wanderer entgegen. Kurzer Smaltalk - weiter geht's. So richtig gesprächig sind die Wanderer hier allerdings nicht.

Der Weg führt nach der Unterquerung der Hauptstraße wieder über Waldwege hinab. Bei der Weinschenke, die offensichtlich nicht mehr bewirtschaftet ist, gönne ich mir eine Rast, bevor es durch die Weinberge mit tollen Ausblicken auf die Burg Landshut direkt nach Bernkastel-Kues geht.





Bernkastel-Kues
In Bernkastel-Kues angekommen bekomme ich nach meiner besinnlichen Waldstrecke erstmal den Kulturschock schlechthin. Der wirklich beschauliche Ort mit seinen schönen Gebäuden ist überlaufen von Touris, die offensichtlich mit Bussen hierher gekarrt werden. Ich setze mich für meine große Pause in ein Weinlokal am Karlsbader Platz und bestelle eine große Weinschorle, während ich ein Touri-Grüppchen mit weiblichem Silberrücken beobachte, die die gesamte Gruppe mit ihrer einnehmenden Art unterhällt. Ein gewisser Loriot-Humor ist hier nicht abzustreiten.
Nach kurzer Zeit geht mir das Gehabe allerdings ziemlich auf den Wecker und auch der weitere Weg durch den inneren Kern des Ortes ist echt anstrengend. Touristengruppen drängen sich hier durch die engen Gassen und der Eisverkäufer, bei dem ich mir noch etwas Süßes gönne, ist sichtlich überfordert, macht seinen Job aber wirklich super.
Noch ein Blick in die Pfarrkirche St. Michael und schnell weiter über die Brücke Richtung Lieser.

Auf diesem Foto mit Blick zurück auf Bernkastel-Kues ist der Berg zu erkennen, über den ich gekommen bin.


Ich passiere das Gasthaus "zur Quelle" und nehme diesen Hinweis als Einladung wahr, hier nach frischem Wasser zu fragen. Ich finde mich sogleich mit dem netten Wirt in einer Unterhaltung über Nächstenliebe wieder. Mit gefülltem Wasservorrat ziehe ich weiter in Richtung Lieser.
In dem kleinen Örtchen angekommen, suche ich zunächst die Tourist-Info auf und habe Pech. Die Tür ist verschlossen. Da bin ich wohl mal wieder zu spät...


Gleich nebenan ist eine Bäckerei und so beschließe ich, hier erstmal einen Cappucchino zu trinken. Diese Pause sollte sich als Glücksfall herausstellen, denn die Bäckersfrau erzählt mir, dass hier das Amt erst um 16:00 Uhr öffnet. Das heißt, ich bin zu früh und nicht zu spät.
Nach einer gemütlichen Mittagspause schaue ich also nochmal nebenan in die Tür und siehe da, die Informationsstelle hat geöffnet und ich bekomme den ersehnten Stempel für meinen Ausweis.
Nachfragen lohnt sich!

Der Weg führt nun vorbei an dem prunkvollen Schloss Lieser, einen Feldweg hoch, den ich nicht hätte einschlagen sollen - also wieder zurück -, durch den Tunnel auf den rechten Weg durch die endlos sich dahinziehenden Weinberge nach Monzel. Hier kommen mir wieder ähnliche Gedanken wie letztes Jahr an Tag 3 in den Sinn: "Warum laufe ich hier nochmal?"

Der Weg verläuft bergauf , berab und wieder bergauf und ich muss zugeben, diese letzten Kilometer vor dem heutigen Ziel tun wirklich weh. Die Sonne brennt jetzt stärker als heute morgen und ich denke immer wenn's wieder bergauf geht: "Oh mann, Leute, wer hat denn diese Wege angelegt?"
Die wunderschönen Moselblicke entschädigen ein wenig für die schwindende Kondition und irgendwann taucht endlich Monzel in der Ferne auf.


Als ich in den Ort hineinlaufe, lockt mich Gesang in die weit geöffnete Kirche St. Nikolaus, wo ich ganz spontan an dem gerade stattfindenen Gottesdienst teilnehme. Die Türen standen wohl extra für mich sperrangelweit auf.
Nach dieser besinnlichen Erholung finde ich meine Pension ganz schnell. Die Wirtin vom Gästehaus Marietta verweist mich beim Ankommen auf das nahe gelegene Kelterhaus für einen Abendschmaus und besiegelt damit für mich einen unvergeßlichen Abend.

Während ich dort so sitze und auf mein Essen warte, komme ich mit einem Radler-Pärchen ins Gespräch, mit dem ich mich über die verschiedenen Mosel-Strecken unterhalte. Das bekommt wohl der Wirt mit, der mich kurz darauf auf meine Pilgerreise anspricht. Daraus entwickelt sich ein nettes Gespräch über den Weinanbau, die Hubschauber, die ich sah und die verschiedenen Arten, Leute für die Weinlese zu begeistern. Etwas später gesellt sich sein Bruder noch zu uns und sie offenbaren mir, dass sie vor gar nicht langer Zeit zu viert auf dem Camino Franzes bis nach Santiago gepilgert sind.
Jetzt werden Stempel ausgepackt, Fotos von der Reise kommen zum Vorschein und ich bewundere die tollen Wege in Spanien. So sitzen wir den ganzen Abend plaudernd beim Wein in der untergehenden Sonne und ich höre lustige Camino-Geschichten, bis ist satt und zufrieden in mein bequemes Bett falle.
Die Moselaner sind ein wirklich nettes Völkchen.
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(-> Zum Mosel-Camino - Start in Koblenz)
(-> Zum Lahn-Camino - Start in Wetzlar)
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