Der Weg von Beilstein aus führt eine ganze Weile an der Hauptstraße entlang hinauf zum Lindenhäuschen, einer kleinen Kapelle bei Grenderich. Hier starte ich meine diesjährige Pilgerwoche, die mich bis nach Trier führen soll.

Die letzte Zeit fühlte sich superstressig an. Ich hatte das Gefühl, so viel gleichzeitig zu machen, dass ich irgendwann gar nichts mehr richtig auf die Reihe bekam. Irgendwie hab ich den Eindruck, dass eine Denkpause genau das richtige ist und ich hoffe, dafür hier genau richtig zu sein.

Nach dem Kapellchen, in dem ich eine Kerze entzünde, für alle, die mir nahestehen, führt der Weg an Grenderich, das mich an diesem Sonntagmorgen mit Glockengeläute empfängt, vorbei und in den Wald hinein. "Hier hätte ja mal jemand mähen können", das ist der erste Gedanke, der mir in den Kopf schießt. Das Gras auf den Feldwegen steht hoch und ich klopfe mir nach dem Gang durch die Wiesenwegen gleich die Beine ab, damit keine Zecken hängen bleiben.

So gehe ich über das Judenpfädchen hinauf auf 410 m Höhe und dann langsam wieder bergab über ein paar Serpentinen, bis ich die ersten Häuser von Bullay sehe.

Im Wald kann ich schon den ersten verstohlenen Blick auf die Mosel erhaschen.

Am Ende der Straße treffe ich auf zwei wandernde Pärchen, die den Weg zu Onkel Toms Hütte suchen. Leider kann ich ihnen am Ende nicht weiterhelfen, aber die erste Begegnung auf meiner Tour stellt sich  schonmal sehr lustig dar. Kurz darauf entscheide ich mich zur 1. Rast auf der Friedhofstreppe, die schön im Schatten liegt und verspeise dort mein Brötchen.

Bullay

Ich laufe in das Moselörtchen hinein, mein Ziel - die Tourist Info - ist leider geschlossen. Laut Pilgerbuch gibt es noch eine Pension, bei der man den Stempel von Bullay bekommt und so gehe ich wieder ein Stück des Weges zurück und finde die Pension.

Die nette Dame, die mich empfängt, weist mich nochmal ausdrücklich darauf hin, dass es sehr mutig sei, ohne vorherige Zimmerbuchung den Weg zu gehen, und so nutze ich diesen Hinweis dafür, meine heutige Nachtunterkunft in Reil zu buchen.

Dieses Jahr habe ich vorher keine Zimmer gebucht, um so frei wie möglich zu sein.

Ich habe mir vorgenommen, immer gegen Mittag zu schauen, wie meine Kondition ist und dann zu entscheiden, wie weit ich gehen möchte. Mal sehen, ob das so klappt, wie ich es mir vorstelle.

Der kleine Stempel-Umweg hat auch sein Gutes, da ich ein schön gelegenes Wein-Lokal entdecke, in dem ich mir meine erste große Moselwein-Schorle bestelle.

Witzigerweise macht meine Familie heute zeitgleich eine Rhein-Wanderung und rastet just zur gleichen Zeit in einer Vinothek.

Eine gute Gelegenheit, einander virtuell zuzuprosten.

Weiter geht's, vom Wein etwas beduselt, über die erste Deutsche Doppelstockbrücke (erbaut 1875-1878). Oben fährt der Zug, unten die Autos, bzw. die Motorräder mit Fehlzündung und natürlich bewegen sich dort auch die Pilger.

Ganz oben auf dem Hügel sieht man etwas verborgen in den Baumwipfeln mein nächstes Ziel - die Marienburg.

Die Marienburg (Zell)

Zur Marienburg führt ein schmaler Trampelpfad, den ich emporstapfe und irgendwann nach vielen Schleifen oben ankomme. Der Blick ist überwältigend.

Ich bitte einen Herren, von mir ein Foto vor diesem grandiosen Ausblick zu machen und befinde mich gleich darauf in einer netten Unterhaltung mit seiner Freundin wieder, die offensichtlich aus dem Ruhrpott stammt und von dieser Idylle mächtig beeindruckt ist.

Was trage ich bei

In der Kirche, die dem ehemaligen Kloster angeschlossen ist, finde ich ganz viele Papiertüten vor, die im gesamten Raum verteilt sind. Jede Tüte ist bemalt mit den Problemen unserer Erde und auf jeder steht der Satz "was trage ich bei".
Es sieht so aus, als wenn man etwas in eine Tüte packt, und es zu dem Problem hinträgt. Man trägt zu so vielen Problem etwas bei, auch wenn einem das Ausmaß oft gar nicht wirklich bewußt ist.

Aber ist hier wirklich nur das negative gemeint, das man zu den Problemen der Zeit beiträgt, oder ist damit auch das Positive im Blick, das jeder beitragen kann, damit das Problem kleiner wird?

Ich sitze einige Zeit da, lasse die Bilder auf mich wirken und nehme mir vor, in Zukunft genauer hinzuschauen auf das, was ich so tue und welche Auswirkungen mein Handeln hat.

Da ich schon bei der Planung beschlossen hatte, den Alternativweg über Reil und nicht den offiziellen Weg über Bumkopf zu gehen, führt mich mein Weg Richtung Aussichtsturm Prinzenkopf, an dem sich einige Ausflügler aufhalten. Ich überlege kurz, ob ich den Turm besteigen soll, entscheide mich aber dagegen, da mir meine Füße bereits langsam signalisieren, dass sie gerne ans Ziel gelangen würden.

Ich laufe also weiter und entdecke ein kleines Hüttchen am Wegesrand. Es ist ein Weinausschank mit überwältigender Aussicht, an dem ich mich nochmal an einem Tisch niederlasse und mit einer Traubensaftschorle verwöhne, bevor ich den Weg über die Weinberge nach Reil antrete.

Das Hotel im Herzen von Reil ist schnell gefunden und die erste Stunde nach dem Ankommen besteht darin, alle Viere von mir zu strecken, zu duschen und ein wenig zu entspannen.

Um sieben Uhr will ich dann doch noch eine Kleinigkeit essen und ziehe los Richtung Straußenwirtschaft, die mir der Herbergsvater bei der Ankunft empfohlen hatte.

Es sind wieder nur nette Menschen unterwegs. Ein lustiges Grüppchen, das offensichtlich heute schon länger dort sitzt, läd mich kurzerhand ein, mich in die Runde einzureihen. Ich könne doch nicht ganz alleine dort sitzen.
So wird es ein witziges Abendessen mit Gulaschsuppe, Weinschorle und interessierten Fragen, sowie freundschaftlichem Gefrotzel und Dorfgetratsche, an dem ich teil haben darf.

Ein kleiner Abendspaziergang an der Mosel rundet den anstrengenden Tag ab, auf dem ich zwei Mädchen dabei zusehe, wie sie mit ihren elektrischen Treckern am Moselufer Kamikaze-Fahren üben.