
Lahn-Camino (Etappe 7): Obernhof - Bad Ems
Sonntag, 24. April 2022 / 19 KM
Nach einem Jahr Verschnaufpause steige ich erneut in das Wander-Abenteuer ein. Der Rucksack ist größer, die Strecke habe ich wieder an meine Kondition angepaßt und die Zeit, die ich zur Verfügung habe, beträgt dieses Mal eine Woche. Ich werde einfach sehen, wie weit ich in dieser Zeit komme.

Allein die Vorbereitung auf die Tour hat schon einen riesen Spaß gemacht. Beim Studium der Strecke und bei der Recherche nach Übernachtungsmöglichkeiten kam die Vorfreude in voller Wucht über mich.
Heute morgen um sieben Uhr ist es soweit. Ich steige in den Zug, der mich über Limburg nach Obernhof bringt. Um kurz nach acht komme ich dort am Bahnhof an und mache mich auf den Weg, um die vorletzte Etappe des Lahn-Caminos zu bewältigen.

Kloster Arnstein
Über die leicht ansteigende Pater Damian Straße, die aus dem Ort Obernhof hinaus führt, geht es vom Bahnhof aus zum Kloster Arnstein.
Das Kloster Arnstein, bzw. damals die Burg Arnstein wurde erstmals 1052 als Sitz der Grafen von Arnstein erwähnt. 1139 wandelte der letzte Graf von Arnstein, Ludwig III. seine Burg in ein Kloster um und trat dort selbst ein. 1919 kam es zur Errichtung des ersten Konvents der Arnsteiner Patres in Deutschland und Im Jahr 1924 ist eine Herz-Jesu-Wallfahrt entstanden, die auch alljährlich zahlreiche Pilger anzieht.
Im Oktober 2015 teilten die Arnsteiner Patres dem Bistum Limburg mit, dass sie das Kloster zum 31. Dezember 2018 aufgeben werden. Als Grund wurden die personellen und finanziellen Ressourcen der Ordensgemeinschaft genannt. Schließlich fand im Dezember 2018 ein feierlicher Gottesdienst zum Abschied von Kloster Arnstein statt.
Im Juni 2019 bezog eine griechisch-orthodoxe Schwesterngemeinschaft das Kloster. Seitdem heißt es „Heiliges Kloster Dionysios Trikkis & Stagon“.
Die althergebrachten Wallfahrten nach Kloster Arnstein sind noch weiterhin möglich.
Am Kloster angekommen wird mir leider von einer Dame mitgeteilt, dass die Tore zum Kloster an diesem Morgen verschlossen bleiben, da die Bewohner alle das Osterfest begangen und bis nachts um vier Uhr gefeiert hatten. Da im russisch-orthodoxen Glauben der julianische Kalender zur Anwendung kommt, wird das Osterfest nicht am gleichen Wochenende gefeiert, wie im katholischen Glauben, bei dem man nach dem gregorianischen Kalender geht.
Kurzum, ich stehe vor verschlossener Tür und komme nicht rein.

So bleibt mir nichts anderes übrig, als mich auf den Weg Richtung Wald zu machen.
Dieser führt eine ganze Weile an der Lahnkante entlang und ich versuche, einen schönen Blick für ein Foto auf das Schloß Langenau auf der anderen Lahnseite zu erhaschen, was mir aufgrund der vielen Bäume leider nicht wirklich gelingt. Bei einer kurzen Rast habe ich dann aber einen schönen Blick ins weite Tal und halte diesen natürlich gleich fotografisch fest.

Kurz nach der Schleuse Hollerich, an der ich zwei süße Ziegenbabys beim Streit um die Zitze ihrer Mutter beobachten kann, überholt mich ein Spaziergänger mit Hund, der etwa doppelt so lange Schritte macht, wie ich. Der Herr ist aber auch etwa zwei Köpfe größer als ich. Er grüßt freundlich und wir wechseln ein paar Worte, bevor er mit laaaangen Schritten weiterzieht. Bei dieser Reichweite könnte ich problemlos doppelt so weit laufen, schießt es mir durch den Kopf.

Nassau
Einige Zeit später erreiche ich, durch herrlich gelbe Rapsfelder spazierend, Nassau und das Cafè Lahnromantik, das mit der tollen Panorama-Terrasse seinem Namen alle Ehre macht. Der junge Kellner serviert mir eine Latte Macchiato zum grandiosen Blick ins Mühlbach-Tal und bespaßt nebenei seine Tochter, die in der Frühlingssonne auf der großen Terrasse spielt.

Stiftung Scheuern
Nach der wohlverdienten Kaffeepause gehe ich weiter zur Stiftung Scheuern, die ursprünglich verwahrloste Knaben beheimatete. Mittlerweile ist die Stiftung eine Wohn- und Arbeitsstätte für Menschen mit Behinderung. Hier finde ich nach kurzer Suche meinen ersten Stempel für die heutige Strecke in einem Holzhüttchen mit mannshohem Osterhasen und erfahre von dem Herren im Rolli, mit dem ich mich kurz unterhalte, dass für ihn heute noch eine Bandprobe in Wiesbaden ansteht. Ich wünsche ihm alles Gute für den anstehenden Auftritt und gehe dann auf die Suche nach einer Brücke über den Mühlbach, an der ich eine ältere Dame treffe.


Offensichtlich verrät mein Rucksack, dass ich noch eine längere Strecke vor mit habe, denn sie berichtet mir promt, dass sie früher auch große Wanderungen unternommen hätte, bis vor kurzem. Dann sei es plötzlich vorbei gewesen...
Deshalb ist es so wichtig die Dinge, die man tun möchte, jetzt zu tun! Hier und heute!
Wenige Meter weiter nehme ich einen Abzweig über eine Wiese, als ein gutmeinender Herr mir nachruft, ich solle die andere Wegstrecke nach Bad Ems gehen, die sei kürzer. Er kann ja nicht wissen, dass ich der Muschel folge und die damit verbundene Steigung meistern will. Diese Steigung beginnt auch gleich nach seinem gutgemeinten Rat und führt mich in Serpentinen bergan bis zu einer Relax-Liege mit einem tollen Rückblick auf Nassau, an der ich meine zweite Rast einlege. (Ganz hinten rechts sind die Rapsfelder zu sehen, durch die ich gekommen bin...)


Nach einer erholsamen Pause trete ich die weiteren Höhenmeter an, die mich durch einen lichten Wald wieder auf's freie Feld führen Richtung Misselberg, einem kleinen verträumten Örtchen im Hinterland der Lahn. Es tun sich grandiose Ausblicke in die Lahnhöhen auf, an denen ich mich gar nicht satt sehen kann. Ich habe das Gefühl, die Welt um mich herum ist gigantisch. Ich stehe da, höre außer wildem Vogelgezwitscher nicht viel und sauge den Augenblick in mir auf, der sich in meinem Auge abbildet, egal zu welcher Seite ich mich auch drehe. Solche Augenblicke passieren immer wieder auf meiner Wanderung. Ich stehe da und kann gar nicht fassen, wie schön die Umgebung ist, in der ich mich bewege. Ob man im hektischen Alltag einfach keine Zeit hat, im Moment zu verweilen? Den Moment in sich aufzunehmen? Jetzt habe ich die Zeit und ich lasse die schönen Bilder auf mich wirken um sie noch ein Weilchen in Gedanken mitzunehmen.

Misselberg
Am Eingang von Misselberg kommen mir zwei bellende Hunde entgegen, die aber sogleich von ihrem Frauchen abgefangen werden und sich als zwei süße Goldies entpuppen. Die hätten mir im Ernstfall lediglich das Wurstbrot weggegessen.
Ich durchquere das Örtchen und entdecke hier, fernab der großen Städte ein schnuckeliges Anwesen mit einer finnischen Grill-Kota.
Vorbei an Obstbäumen der Stiftung Scheuern geht es wieder steil bergauf bis zu einer großen blauen Hinweistafel, die mich Richtung Dausenau leitet.

Der Weg verläuft ab hier in einem bequemen Gefälle wieder Richtung Lahn hinab. Oberhalb von Dausenau entdecke ich eine schöne Bank, die gut als Rastplatz dient, mit Blick auf die Lahn und Dausenau. Da die Goldies mein Wurstbrot nicht bekommen haben, esse ich es jetzt selbst auf.
Gut gestärkt komme ich in Dausenau an. Der Ort hat mittelalterlichen Flair und eine tolle Ortsansicht. Hier soll laut meinem Buch der schiefste aller schiefen Türme stehen.
St Kastor Kirche in Dausenau
In Dausenau suche ich die St. Kastor Kirche auf und werde von einer netten Dame empfangen, die mir und noch zwei anderen Herren bei einer kleinen Führung durch die Kirche die Bedeutung der bunt bemalten Fenster, der Bilder und Wandfresken erklärt. Es ist erstaunlich, was man in diesen Malereien so alles entdecken kann, wenn man genau hinschaut und die Bedeutung der Zeichen kennt.
In der, oder vielmehr unter der Kastorkirche wurde bei Ausgrabungen im Hauptchor Fragmente einer Muschel entdeckt, die darauf schließen läßt, dass auch Menschen aus Dausenau nach Santiago de Compostella gepilgert sind und diese von dort mitgebracht haben. Im Wandfries des Hauptchores ist Jakobus mit Buch und Schwert abgebildet.

Das Kaffeeangebot, das ich nach der Privatführung bekomme, lehne ich dankend ab, denn ich habe langsam Lust an meinem Ziel anzukommen. Noch schnell den Pilgerstempel hinter der Kirche geholt und schon bin ich wieder auf meinem Weg.
Nach fünf Schritten den Berg hinauf entdecke ich ein Schild mit der Aufschrift "Bad Ems 3,5 KM". Nach einem letzten Blick auf Dausenau trete ich motiviert den Weg über den letzten Berg an.

Auf dem nächsten Foto kann man meinen Weg gut nachvollziehen: Durch den Wald oben rechts bin ich gekommen, über den Bergrücken hinunter nach Dausenau unten links gelaufen, um jetzt am anderen Lahnhang Richtung Bad Ems zu gehen.

Bad Ems
Es geht bergauf, bergauf, dann kommt ein Schild mit dem ersehnten Biergarten und dann geht es erst richtig bergauf. Ziel ist der Concordia Turm.
Weit, weit oben über Bad Ems trinke ich mein Radler mit grandiosem Ausblick auf die Stadt.


Nachdem ich mein kühles Getränk genossen habe, geht es recht steil bergab, vorbei an einigen versteckten Aussichtspunkten, an denen sich am Abend sicherlich die Pärchen zum Stell-dich-ein treffen, bis in das oberste Geschoss eines Parkhauses und von hier direkt in den Bad Emser Kurpark.


Das heutige Etappenziel ist die kath. Kirche St. Martin in Bad Ems am Ende des Kurparks.
Von hier aus suche ich mein Hotel, das ich auch gut finde. Ich checke erstmal ein. Ein leckeres Abendmahl im "Alt Ems" mit einer sehr fixen und netten Bedienung rundet den Tag ab, bevor ich müde in das durchgelegene Bett falle.
(-> 8. Etappe: Bad Ems - Oberlahnstein)
(-> Zum Start in Wetzlar)
Kommentare
Keine Kommentare
Kommentar schreiben