Nach einer unruhigen Nacht erwache ich an diesem Morgen bereits gegen sieben Uhr und höre, dass auch im Haus schon jemand wach ist. Also packe ich meine Sachen zusammen, verabschiede mich von meiner Gastgeberin und mache mich wieder auf den Weg.

Ich gönne mir beim Bäcker erst einmal einen Kaffee und ein belegtes Brötchen, versorge mich danach an der Tankstelle mit Wasser und setze meine Tour im dichten Nebel fort. Zumindest regnet es nicht mehr.

Es geht zunächst über Felder nach Hünfeld und von dort in den Wald hinein. Am Bruder-Tönnes-Hügel ist etwas verschreckt vor mir in den Wald verschwunden. Ich bleibe stehen und lausche, aber ich höre nichts mehr und es taucht auch nicht mehr auf. Ob das vielleicht ein Wildschwein war?

Wenn, dann hat es mehr Angst vor mir als ich vor ihm.

Weiter geht es durch den Wald bis nach Nassheck, ein Weiler, durch den ich blöderweise einfach durchlaufe.

Der Sendeturm im dichten Nebel beeindruckt mich so dermaßen, dass ich die Abzweigung verpasse und somit eine Zusatzstrecke laufe. Weil ich keine Muschelschilder mehr sehe, werde ich stutzig, drehe um und bin schnell wieder auf dem rechten Pfad. Der Weg führt vorbei an einem kleinen Marien-Kapellchen und danach entlang der A61 bis auf den Rastplatz Mosel, auf dem auch in die erste Rast einlege. An der Tankstellenkasse gibt es den nächsten Pilgerstempel für's Pilgerbuch und einen Schokoriegel für die Kondition.

Danach beginnt meine persönliche Bedenken-Strecke, über die ich mir im Vorfeld bereits viele Gedanken gemacht habe.
"Kommt mir jemand nach, wenn ich den Rasthof verlasse?" - "Hatte mich jemand auf der Raststätte beobachtet?"

Ich gehe also von der Raststätte aus in den Wald hinein, drehe mich die ersten Meter im Wald ständig um, um zu kontrollieren, ob mir jemand folgt. Und da passiert es fast, wie eine selbsterfüllende Prophezeiung: Ich strauchel aus lauter Unachtsamkeit und knicke mit dem Fuss halb weg. Kurz bevor der Knöchel knackt, richtig weh tut und mich fast umhaut, fange ich mich ab und stehe plötzlich wieder stabil da. Ich denke mit wildem Herzklopfen: "Es wird Zeit, dass du wieder ins Hier-und-Jetzt kommst, damit nichts passiert.

... und dann passiert wirkliche etwas - aber etwas ganz Unerwartetes - etwas schwer Beschreibbares:
(aber ich versuch's mal...)

 

Ich sammle mich einen Moment, komme mit der Aufmerksamkeit wieder auf den Weg und auf meine Umgebung, gehe weiter und tauche ab in den Wald. Die Sonne kommt raus, die Vögel zwitschern wie verrückt, ich trete einen steilen Berg an und bemerke, dass die Steigung mit spielend einfachem Kraftaufwand zu bewältigen ist. Kurz vor der Kuppe drehe ich mich um, stehe einfach da und fühle in mich hinein.

Und es ist überhaupt nichts mehr da von "mutterseelenalleine-sein" wie gestern erlebt. ich fühle mich mitten drin als Teil vom Wald. Als wenn ich dazugehören würde, als wäre ich schon immer hier unterwegs und nicht nur Gast. Ich merke wie die Luft des Waldes durch mich hindurchströmt, Ich höre das Gezwitscher ganz nah und laut und habe das Gefühl, dass der Weg mein Freund ist. Ganz liebevoll und leicht. Das Gefühl ist so überwältigend, ich kann's gar nicht wirklich in Worte fassen.

Ich bleibe noch einige Male ganz bewusst stehen, um das Gefühl in mir aufzusaugen, denn es fühlt sich so gut an.

Mit diesem Gefühl im Bauch laufe ich beschwingt weiter über ein Feld mit einem tollen verwachsenen Freisitz bis zu einem Platz, an dem ich eine Rast mache und mich eine andere Pilgerin passiert. Sie berichtet mir, dass sie in Stolzenfels gestartet sei, und jetzt langsam froh sei, dass ihr Etappenziel in Alken immer näher kommt.

Wallfahrtskirche Bleidenberg

Wenn man's recht bedenkt, hat sie heute die doppelte Strecke zurückgelegt im Vergleich zu mir. An der nächsten Bank überhole ich sie wieder und so erreiche ich die Wallfahrtskirche Bleidenberg und lasse mich hier nochmal zur Rast nieder um die Atmosphäre an dieser schönen mittelalterlichen Kirche zu genießen.

Die Mittagssonne hat mittlerweile alle Wolken beiseite geschoben.

Die Pilgerin kommt in Sichtweite, ich freue mich schon auf ein Treffen und darauf, dass sie ein Foto von mir vor der Kirche machen könnte, doch sie setzt wie ein gescheuchtes Reh den Weg gleich fort und lässt Kirche und mich links liegen.

Alken

Hier beginnt der Teil mit dem schönsten Ausblick für heute. Es geht steil bergab Richtung Alken über einen schiefersteinigen Trampelpfad mit flüchtenden Echsen, die sich auf den Steinen sonnen. Die Mosel habe ich geradeaus im Blick - eine tolle Kulisse.

Ich komme in Alken an, hole mir hier erstmal einen Etappenstempel ab und lasse mich in einem Café nieder, in der ich eine große Weinschorle zur Erfrischung bestelle.

Weiter geht es über den Edeka in Alken, an dessen Kasse man tatsächlich einen Pilger-Stempel erhält. Das ist doch mal ein gelungenes Marketing.
Der müde Pilger kauft hier sein Wasser eben bei Edeka ein...

An der Brücke über die Mosel am Ende des Örtchens Alken habe ich einen tollen Blick auf die Gemeinde Löf, in der meine heutige Etappe endet.

Brodenbach am Abend...

Da ich mir vor der Reise fest vorgenommen habe, auf meinen Körper zu hören, verordne ich mir zur Freude meiner Füße morgen eine

Pilgerpause  :-)